Zeugnisse

Pfarrer Stephan Meßner - Medjugorje

„Siehe deine Mutter“ (Joh: 19, 27)

Als ich über Sylvester 1996/97 nach Medjugorje fuhr, hätte ich mir niemals träumen lassen, dass sich an diesem Ort mein Leben verändern würde. Bis dahin hatte ich, trotz meines sonntäglichen Messbesuches und einem gelegentlichen Rosenkranz in der Familie, keinen tieferen Bezug zu meinem katholischen Glauben. Das sollte sich aber in die-sem Jahr radikal ändern.

Eigentlich wollte ich gar nicht nach Medjugorje fahren, um mit „alten, frommen Betern“ an einem Marienwallfahrtsort den ganzen Tag zu verbringen. Meine Mutter, die sah, wie körperlich und geistig ausgelaugt ich nach meinem zwölfmonatigen Zivildienst war, bot mir an, die Fahrt nach Medjugorje zu bezahlen. Nach einigem „Widerwillen“ willigte ich ein und machte mich über Sylvester auf den Weg dorthin. Es war die Zeit kurz nach dem verheerenden Bürgerkrieg in diesem Land. Über hunderte von Kilometern, die wir durch das Landesinnere der ehemaligen Republik Jugoslawien fuhren, erstreckten sich die Folgen des Krieges. Kaum ein Haus hatte dem Bomben- und Kugelhagel standgehalten auch die Straßen waren in einem schlechten Zustand.

Da saß ich nun in einem Bus und führ zu diesem, mir bis dahin unbekannten Marienwallfahrtsort. Die ganze Nacht über machte ich kein Auge zu, immer wieder schoss mir der Gedanke durch den Kopf: „Was machst du eigentlich hier?“ Und so kam ich mit diesem Widerwillen am nächsten Tag mit der Gruppe dort an. Bei der Quartierverteilung wurden alle „Saarländer“ einer Gastfamilie zugewiesen und so saßen wir beim Mittagessen mit über zwanzig Personen an einem riesigen Tisch. Nach den ersten Anlaufschwierigkeiten, machten wir uns untereinander bekannt. Am Abend ging es dann zur internationalen Messe und das bei Temperaturen bis unter – 20 grad Celsius. Langes Anstehen in der Kälte, feuchte Kleidung und das düstere Wetter. Dann fiel auch noch der Strom vorübergehend aus. So verstärkte sich mein Wunsch wieder nach Hause zu fahren. Und doch fühlte ich mich von Tag zu Tag mehr in die Kirche hingezogen, besonders zu den Anbetungsstunden.

So kam es, dass ich an einem der darauf folgenden Tage um 21.00 Uhr zur Anbetung ging. Diese wurde von dem inzwischen verstorbenen Pater Slavko Barbaric gehalten und von den ehemaligen Drogenabhängigen der Gemeinschaft Cenacolo musikalisch gestaltet. Während dieser Stunde hat Jesus mich in meinem Herzen berührt. Ich kann es eigentlich kaum in Worte fassen, aber es wurde um mein Herz ganz warm. Ich kniete mitten in der Kirche von Medjugorje unter vielen hunderten von Menschen und kam mir für eine kurze Zeit lang vor, als wenn Jesus in der Eucharistie mit mir allein dort wäre. In diesem Moment konnte ich glauben: „Ja, er ist mit Gottheit und Menschheit hier, er ist auch für mich hier.“ Ich will nicht behaupten, dass ich dies vorher abgelehnt hätte, aber nun war ich mir sicher, wurde von ihm sozusagen darauf hingewiesen. Es war ein Gefühl, das ich nicht beschreiben kann. Ich erinnerte mich später an die in der heiligen Schrift beschriebene Szene der Emmausjünger. Diese sagten, als sich Jesus ihnen offenbart hatte und dann vor ihren Augen verschwand: „Brannte uns nicht das Herz in der Brust“ (Lk: 24, 32). Ja, so muss es gewesen sein. In meinen Herzen verspürte ich den Ruf Jesu: „Folge mir nach.“ Obwohl ich keine Worte vernahm, wusste ich sofort was der Herr von mir wollte: Priester werden.

Überwältigt von diesem Geschehen ging ich zurück in die Unterkunft. Aber schon kurze Zeit danach plagte mich der Gedanke: „Nein, ich kann niemals Priester werden. Ich und Priester. Was werden meine Freunde zu Hause sagen? Keine Disco mehr, keine Ehefrau und Kinder. Unmöglich!“
Am darauf folgenden Tag kam ein deutscher Priester nach der Abendmesse zu mir. Er sprach mich spontan an und sagte: „Sag mal, könntest du dir nicht vorstellen Priester zu werden.“ Mir verschlag es fast die Sprache! Ich nickte ihm zwar nett zu, aber innerlich war ich ziemlich geladen und dachte mir: „Na ja, du hast ja gut reden. Wenn du wüsstest!“ In diesem Zwiespalt fuhr ich dann einige Tage später wieder nach Hause.
In der Zwischenzeit hatte ich mich mit vielen der Buspilger angefreundet. In Medjugorje überhaupt habe ich in diesen wenigen Tagen Menschen kennen gelernt, zu denen ich heute noch eine tiefe Freundschaft pflege. Auf der Rückreise sagte eine Frau, als sie von ihren Erlebnissen in Medjugorje erzählte: „Man hat hier den Eindruck als würde man sich schon länger kennen.“ Das kann ich nur bestätigen, denn ich fühlte mich, wie in einer kleinen „Familie“ aufgenommen.

Und trotzdem verfolgte mich zu Hause der Gedanke, mein Leben zu verändern. Kurze Zeit später hatte ich eine Freundin. Wir verbrachten gemeinsam eine sehr schöne Zeit, in der wir auch den Glauben miteinander teilten. Aber je länger die Freundschaft andauerte, umso mehr spürte ich, dass mich etwas weg zog. Ich war glücklich, aber etwas Entscheidendes fehlte in meinem Leben. So entschied ich, mit dem Einverständnis meiner Freundin, bei den Legionären Christi in Rom Berufungsexerzitien mitzumachen. Und wieder wurde mir dort ganz klar, Jesus möchte, dass ich ihm nachfolge. Ich bat Jesus, mir ein Zeichen zu geben, damit ich mir auch sicher sein könne. Als ich meiner Freundin davon erzählte, war das Chaos perfekt. Und doch, so gestand sie mir, hatte sie selbst gemerkt, dass es mich woanders hin zieht. Sie sagte mir:
„Wenn es der Wille Gottes ist, dann soll es auch mein Wille sein.“ Das war für mich das erbetene Zeichen. So gingen wir im Frieden, wenn auch unter Schmerz, auseinander.

Nun begann ich mich, mehr und mehr der Führung der Gottesmutter anzuvertrauen. Ich hatte die Gospa in Medjugorje ins Herz geschlossen. Ich bat Sie im Gebet, mich nach dem Willen ihres Sohnes, zu führen.
Ich sagte zu Ihr: „Wenn ich Priester werden soll, dann musst Du mir auch helfen, dass ich das Studium bezahlen kann.“ Woran ich allerdings nicht dachte war, dass ich auch ein Auto gebrauchten könnte. So traf ich eine Woche später bei einem Gebetskreis ein junges Mädchen, das mir erzählte, dass sie Ordensfrau werden wolle. Vier Wochen später traf ich sie wieder. Voller Begeisterung schilderte sie mir, sie habe nun ihre Ordensgemeinschaft gefunden. In den nächsten Wochen werde sie eintreten. Ihren Besitz bräuchte sie dann nicht mehr. Dazu gehöre auch ein Auto, das sie mir schenken wolle. Ich war ganz perplex und lehnte ab. Sie aber bestand darauf, denn so sagte sie mir, sie habe dies im Gebet erfahren. So nahm ich dieses Geschenk der Vorsehung dankend an und kurze Zeit darauf wurde ich im Priesterseminar in Eichstätt aufgenommen. Vom Saarland aus waren das nahezu 450 km. Ein Auto war deshalb Gold wert. Ich sah dies als die erste Hilfe der Gottesmutter an und es sollte nicht die letzte bleiben.

Nach meiner Teilnahme am Weltjugendtag 1997 in Paris, begann ich dann geistig gestärkt mit meinem Studium im Priesterseminar in Eichstätt. Mein Freisemester habe ich in Trier verbracht und bin dann nach München in ein anderes Priesterseminar gewechselt. Dort konnte ich mein Studium im Jahr 2002 beenden.
In dieser Zeit habe ich die Schönheit und Kostbarkeit des Priesterberufes immer mehr kennen und schätzen gelernt. Es ist sozusagen ein inneres Wachsen, verbunden mit Höhen und Tiefen. Nach dem Studium habe ich den Pastoralkurs in der Diözese Speyer besucht und bin während meines Pfarreipraktikums am 13. Dezember 2003 im Kaiser- und Mariendom in Speyer zum Diakon und am 26. Juni 2004 zum Priester geweiht worden.

Wenn ich heute zurückschaue, dann bin ich froh und dankbar, dem Ruf des Herrn gefolgt zu sein. Am Anfang habe ich vieles noch nicht verstanden, aber dann mit den Jahren bin ich immer mehr in diese außergewöhnliche und erfüllende Berufung hineinge-wachsen.

Zu meinem Primizspruch habe ich mir gewählt: „Mutter, siehe dein Sohn“ (Joh: 19, 26). Ich möchte damit meine Verbundenheit und Dankbarkeit zu Ausdruck bringen, die ich gegenüber der Mutter Gottes hege. Christus hat Sie uns allen am Kreuz zur Mutter gegeben. Wer sich vertrauensvoll an Sie wendet, wird nicht enttäuscht werden. Auf meinem Pri-mizgewand habe ich den zweiten Teil der Kreuzesrede Jesu im Johannesevangelium anbringen lassen. Es ist auch eine Einladung an alle, die noch nicht in Medjugorje waren. Komm auch du mit an diesen Ort und „Siehe deine Mutter“ (Joh: 19, 27).

Pfarrer Stephan Meßner