Martin Lohmann - Über die Heilige Eucharistie
Ohne Eucharistie könnte ich vermutlich gar nicht leben. Je älter ich werde, desto christusgläubiger werde ich, und mir erschließt sich das Wunder des eucharistischen Herrn immer mehr – in immer größerem Staunen und in wachsender Sehnsucht nach IHM. Das mag seltsam klingen, ist es aber nicht. Und irgendwie durchzieht dieses Wunder mein ganzes Leben. Im Glauben fest wissen zu dürfen, dass in diesem Stückchen Brot der Gottessohn selbst und ganz real zugegen ist und sich mit uns vereinen möchte, ist unglaublich und unglaublich schön.
Es ist so, wie ich es einmal spontan sagte: Da haben wir nicht nur ein Foto, das uns an Jesus Christus erinnert, sondern es ist ER selbst. Kein Symbol, das uns das Denken an IHN verdichten lässt, sondern die Dichte Seiner ganz persönlichen Gegenwart. Mein Vater, der nach dem allzu frühen Tod meiner Mutter bereits im Jahre 1964, 1999 ins himmlische Jerusalem heimgerufen wurde, erzählte mir einmal, dass meine Sehnsucht nach dieser so innigen und persönlichen Begegnung mit Christus im Sakrament des Altares mich schon als Fünfjähriger packte – und ich meine Eltern regelrecht Sonntag für Sonntag nervte, warum ich denn diesen Jesus nicht empfangen dürfe. Geduldig erklärten mir Mutter und Vater, dass ich noch zu jung sei und erst einiges lernen müsse.
Doch als ich meinen Eltern schließlich energisch sagte, ich wisse doch, dass es sich nicht um ein Stück Brot handle, sondern um Jesus Christus selbst, und sie, die Eltern ja auch nicht mehr wüssten als dies, riefen meine Eltern den priesterlichen Familienfreund an und baten um Hilfe. Dieser, inzwischen längst Bischof, meinte nur: Klarer Fall für Frühkommunion! Jetzt bereiten wir den kleinen Martin mal auf seine baldige Erstkommunion vor. Und so empfing ich die heilige Eucharistie erstmals am 19. Mai 1962 aus der Hand jenes Freundes, der exakt 13 Jahre später zum Bischof geweiht wurde – wo ich als Domministrant dabei sein durfte.
Noch heute gehe ich jedes Mal bei meinen Rombesuchen zum Grab des heiligen Papstes Pius X. hinten links in der Peterskirche, um mich mit einem Gebetsgedenken zu bedanken. Denn ihm ist es zu verdanken, dass es die sogenannte Frühkommunion gibt. Begriffen habe ich zwar bis heute noch nicht wirklich, was da geschieht. Aber staunend nehme ich es im Glauben an und bin mir sicher: Es ist der Herr!
Bei einer Meditation habe ich von einem Priester vor etwa einem Jahr einen wunderbaren Gedanken gehört, der mich nicht mehr loslässt. Er nahm die Erzählung von dem Zöllner, der auf einen Baum klettern musste, um Jesus zu sehen, zum Anlass, darüber nachzudenken, ob es dieser Zöllner oder etwa die blutflüssige Frau, die nur den Saum des Gewandes Christi berühren konnte, denn nicht besser hatten als wir. Schließlich hatten sie Jesus leibhaftig erlebt, gesehen, mit ihm sprechen können, ihn ganz nah bei sich haben dürfen.
Das Verblüffende: Der Geistliche war und ist davon überzeugt, dass wir es wesentlich besser haben heute. Warum? Weil wir durch das wundervolle Geschenk des Herrn nicht mehr hektisch auf einen Baum klettern oder uns ins Gedränge werfen müssen, um Ihn zu sehen oder ihm nahe zu sein. In der Eucharistie ist der Gottessohn immer da, immer ansprechbar, immer ganz nahe. Gleichsam 24/7, also rund um die Uhr und tagtäglich. Er hat keine Sprechzeiten zu bestimmten Zeiten, sondern empfängt jederzeit und jeden, der darum bittet. Er hat immer ein Ohr, ist wirklich da. Überall, nicht nur in Palästina. Seine Gegenwart ist nicht zu toppen. Er kennt keine Wartezeiten. Er sagt immer, freilich unaufdringlich und herzlich: Komm! Komm zu mir, ich kenne Dich und ich bin bei Dir.
Deshalb ist ein Besuch vor dem Tabernakel immer ein Gewinn. Als eine Frau nach dem Weltjugendtag nach der Anbetung mit Papst Benedikt zusammen mit einer Million Menschen meinte, dieser eucharistische Herr habe ja ausschließlich nur für sie alleine Zeit gehabt, sei alleine mit ihr im Gespräch gewesen, da hatte sie Recht. Aber weil er Gott selbst ist, kann er diese Exklusivität jedem schenken. Ich hatte während des Eucharistischen Kongresses in Köln in der Kirche Mariä Himmelfahrt, wo es rund um die Uhr Anbetung des Herrn gab, ähnliche Erfahrungen. Und als mich eine Kollegin fragte, was denn für mich der Höhepunkt des Kongresses gewesen sei, meinte ich ohne Zögern: Ich hatte zweimal eine einstündige Privataudienz.
Und das Schöne: Die kann jeder haben, zu jeder Zeit und immer wieder. Und die ist nicht nur in Köln möglich, sondern in jeder Kirche, in der Christus real präsent ist. Manchmal denke ich: War schon ganz gut, dass ich meine Eltern, denen ich viel Glauben und Vertrauen verdanke, so früh genervt habe. Die Eucharistie ist ein sehnsüchtig machender Vorgeschmack auf den Himmel und das eigentliche Leben. Wenn noch mehr wüssten, wie gnadenvoll die heiligste Eucharistie, wie kostbar dieses Sakrament ist, dann würden sie sicher verstehen, wenn ich sage: Ohne Eucharistie könnte ich vermutlich gar nicht leben.
Martin Lohmann katholischer Publizist und Chefredakteur des katholischen Fernsehens K-TV