Zeugnisse

Erasto Joseph Fernandez, Indien - Die schönste Eucharistiefeier meines Lebens

Als ich einmal einen Einkehrtag für Ordensschwestern hielt, erzählte mir eine dieser Schwester von einer Familie, deren jüngstes Kind ertrunken war. Die Familie war arm und der Vater und der ältere Bruder waren durch die harte Arbeit auf den Feldern körperlich schon sehr angeschlagen. Dieser jüngste Sohn und seine Schwester, die beide noch studierten, waren bisher für die Zukunft der Familie die einzige Hoffnung gewesen. Doch diese Hoffnung war nun zerstört worden, weil der Sohn nicht mehr da war.

Die Familie war schwer getroffen und niedergeschlagen. Sie alle schmerzte der schlimme Verlust, der vom himmlischen Vater, der doch eigentlich gut und fürsorglich sein sollte, erlaubt worden war.

Die Erzählung der Schwester hat mich deshalb erschüttert, weil es menschlich sehr schwer ist, ein solches Unglück zu akzeptieren. Aber ich fühlte mich ´herausgefordert´, die Dinge aus dem Blickwinkel des auferstanden Christus zu betrachten.

War diese Geschichte nicht jener von den Jüngern von Emmaus ähnlich? Könnte man den Tod des Sohnes statt als einen grausamen Schicksalsschlag nicht auch als einen Ausdruck der Liebe Gottes betrachten?

Ich fragte die Schwester, ob sie dieser Familie einen éucharistischen´Standpunkt der gesamten Geschichte vermitteln können. Es ginge darum, diesen Sohn als ´spontanes´ Geschenk Gott anzubieten, anstatt daran zu denken, dass Gott ihn genommen habe! Wenn es ihnen gelänge, diesen Sinneswandel mit Liebe und Großzügigkeit zu vollziehen, würde ich für sie eine Eucharistiefeier zelebrieren, in der sie ihren Sohn christlich und innig hätten aufopfern können.

Am Ende des Einkehrtages ließen mich andere Sorgen diese Idee vergessen. Aber die Schwester vergaß es ganz und gar nicht: Zwei Monate später sagte sie mir, dass die Familie dazu bereit wäre, obwohl es sie große Überwindung kosten würde.

Am festgesetzten Tag kam ich im Kloster etwas früher an und konnte noch ein wenig mit der Familie sprechen. So konnte ich mich überzeugen, dass sie wirklich zu dieser heiligen Messe bereit waren. Der Höhepunkt der Feier war die Gabenbereitung: Jedes Mitglied der Familie brachte eine Hostie zum Altar und während alle ein intensives Gebet für den verstorbenen Sohn und Bruder sprachen, legte jeder seine Hostie auf die Patene, um Gott dieses Geschenk der Liebe symbolhaft darzubringen. Es waren äußerst berührende Momente, vor allem als die Mutter und der Vater an die Reihe kamen. Die Schriftlesungen wurden entsprechend gewählt, mit Texten, die an den wahren und tieferen Sinn der Eucharistie erinnerten, an den Leib und das Blut Christi. In der Messe vertrauten sich nun die Eltern, die so sehr auf die zukünftige Unterstützung und die Liebe des Sohnes gezählt hatten, vollkommen den Händen Gottes an! “Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben. Das Brot, das ich geben werde, ist mein Fleisch, für das Leben der Welt.” (Joh 6,51)

In den 45 Jahren meines Priestertums war dies die schönste Eucharistiefeier: Ein schmerzhafter und leidvoller Verlust hat sich durch die Eucharistie in ein Leben voller Hoffnung und in die Annahme des Willens und der Gaben unseres Herrn verwandelt. Wie die Jünger von Emmaus sind wir in die Tage des Glücks und der Hoffnung zurückgekehrt, mit einer erneuerten Sicht des Lebens im Glauben und in der Gewissheit der Gegenwart Gottes in unserer Nähe.

Er ist nicht umsonst gestorben!

Quelle: Buch “Das ganz normale Wunder”, von Thomas M. Gögele LC, Valentin Gögele LC