Edith Stein - Eucharistische Erziehung
Vortrag am 14.7.1930 im St. Martha-Heim in Speyer im Rahmen des Eucharistischen Diözesankongresses anlässlich des 900jährigen Domjubiläums.
Die großartige Ehrung des eucharistischen Heilands in den Kundgebungen dieser Tage und in den vorausgehenden Festwochen - Fronleichnams- und Herz Jesu‐Fest mit ihren Oktaven -‐ soll nicht etwas Einmaliges und Vorhergehendes sein, sondern eine dauernde Wirkung in uns hervorbringen.
Darum fragen wir uns in stiller Besinnung: Wie können wir die Liebe zum eucharistischen Heiland in den Herzen anderer entzünden? -‐ das heißt ja eucharistisch erziehen. Man nimmt an, dass wir als Frauen in besonderer Weise an diesem Werk mitarbeiten können und dass wir alle -‐ ungeachtet der Unterschied e unserer Lebensstellung: als Gattin und Mutter, als Ordensfrau, als alleinstehende, beruflich oder freitätige Frau -‐ etwas Gemeinsames dafür mitbringen. Und was könnte das anderes sein als das weibliche Herz mit seinem Verlangen nach schrankenloser, opferfreudiger Hingabe, das gewissermaßen eine natürliche Verwandtschaft mit dem göttlichen Herzen hat, das im Tabernakel für alle schlägt, und darum für die Anregungen dieses göttlichen Herzens besonders empfänglich sein müsste? So wollen wir überlegen, was uns tauglich machen kann zum Werk der eucharistischen Erziehung und wie wir sie leisten können. Ein Grundsatz gilt für uns alle, die wir eucharistisch erziehen wollen: Wir können es nur, wenn wir eucharistisch leben. Zu einem eucharistischen Leben wollen wir andere führen, und das können wir nur, indem wir es ihnen vorleben. So wird unsere erste Frage sein:
I. Was gehört zu einem eucharistischen Leben?
Eucharistisch leben heißt die eucharistischen Wahrheiten praktisch wirksam werden lassen. Es sind im wesentlichen drei einfache Glaubenssätze, um die es sich dabei handelt:
- Der Heiland ist gegenwärtig im Allerheiligsten Sakrament. -‐ Er erneuert täglich sein Kreuzesopfer auf dem Altar.
- Er will jede einzelne Seele sich aufs innigste verbinden in der heiligen Kommunion.
Wir fragen zunächst:
Was verlangen die eucharistischen Wahrheiten von uns? Des Heilands Wonne ist es, unter den Menschenkindern zu sein, und er hat uns versprochen, hei uns zu sein bis ans Ende der Welt. Er hat dieses Versprechen wahr gemacht durch seine sakramentale Gegenwart auf den Altären. Hier wartet er auf uns und man sollte meinen, dass die Menschen sich drängen müssten zu den geweihten Stätten. Der schlichte Sinn dieser Glaubenswahrheit verlangt es, dass wir hier unsere Heimat haben müssten, uns von hier nur entfernten, soweit unsere Aufgaben es verlangten, und diese Aufgaben sollten wir täglich aus den Händen des eucharistischen Heilands entgegennehmen und das vollbrachte Tagewerk in seine Hände zurücklegen. Der Heiland ist auf Kalvaria für uns gestorben. Aber es genügt ihm nicht, mit diesem Opfertod ein für allemal für uns das Erlösungswerk zu vollbringen. Er wollte jedem einzelnen die Früchte seiner Tat persönlich zuführen. Darum erneuert er täglich das Opfer auf dein Altar, und jeder, der gläubigen Herzens beiwohnt, der wird im Blut des Lammes rein gewaschen und seelisch erneuert. Jedes heilige Messopfer ist bestimmt, diese Gnadenfülle den Menschen zuzuführen, die es erreichen kann, d. h. denen, die es ermöglichen können, zugegen zu sein und es für sich und andere fruchtbar zu machen. Wer aber zugegen sein könnte und es nicht ist, der geht kalten Herzens am Kreuz des Herrn vorbei und tritt seine Gnade mit Füßen. Der Heiland legt die Gnadenfrüchte des Opfers nicht nur auf dem Altar für uns nieder. Er will zu jedem einzelnen kommen: wie eine Mutter ihr Kind mit seinem Fleisch und Blut uns nähren, in uns selbst eingehen, damit wir ganz in ihn eingehen, als Glieder seines Leibes in ihn hineinwachsen. Je öfter die Vereinigung erfolgt, desto stärker und inniger wird sie. Ist es begreiflich, dass jemand sich diesem stärksten göttlichen Liebeserweis entzieht, auch nur einmal weniger zurr 'fisch des Herrn tritt, als es ihm praktisch möglich ist? -‐ Das also ist es, was der recht verstandene Sinn der eucharistischen Wahrheiten von uns verlangt: den Heiland im Tabernakel aufsuchen sooft wir können, dem heiligen Opfer beiwohnen, sooft wir können, die heilige Kommunion empfangen, sooft wir können.
Wir fragen nun weiter:
Was gibt uns der Heiland im eucharistischen Leben? Er erwartet uns, um all unsere Lasten auf sich zu nehmen, uns zu trösten, zu raten, zu helfen als treuester, immer gleichbleibender Freund.
Zugleich lässt er uns sein Leben mitleben, besonders wenn wir uns anschließen an die Liturgie und darin sein Leben, Leiden und Sterben, Auferstehung und Himmelfahrt, das Werden und Wachsen seiner Kirche mit erfahren. Dann werden wir aus der Enge unseres Daseins hinaugehoben in die Weite des Gottesreiches; seine Angelegenheiten werden die unseren, immer tiefer werden wir mit dem Herrn verbunden und in ihm mit all den Seinen. Alle Einsamkeit hört auf, und wir sind unanfechtbar geborgen im Zelt des Königs, wandeln in seinem Licht.
II. Eucharistische Erziehung
Das Leben, das wir selbst führen, können und sollen wir anderen vermitteln. Das geschieht durch Beispiel, Belehrung und Gewöhnung.
Durch Beispiel:
Wenn das eucharistische Leben in uns wirksam und spürbar ist als Kraft, Frieden, Freude, Liebe und Hilfsbereitschaft, wenn andererseits deutlich die Eucharistie der Mittelpunkt unseres Lebens und Quell all dieser Ausstrahlung ist, dann muss es werbende Kraft entfalten.
Durch Belehrung:
Eine Einführung in die eucharistischen Wahrheiten ist nötig: die schulmäßige Unterweisung wird durch das ergänzende Wort und die entsprechende Praxis der Mutter und der übrigen Umgebung des Kindes wirksam unterstützt. Das junge Kind zeigt sich besonders empfänglich für die Wahrheiten und ihre Umsetzung in die Tat. Bei größeren Kindern und bei Erwachsenen muss man mit Worten sparsam sein und das Verlangen nach Belehrung abwarten, dazu aber immer bereit und gerüstet sein.
Durch Gewöhnung:
Leib und Seele müssen zum eucharistischen Leben geformt werden; je früher, desto empfänglicher ist das Material und leichter die Formung; darum frühe Kommunion. Je öfter, desto stärker die formende Wirkung: Darum möglichst tägliche Kommunion. Das stellt bestimmte Anforderungen an den Körper und bedingt starke Einflüsse auf die tägliche Lebensordnung, zugleich sorgsame Hut der Seele: Entwöhnung von der Sünde, d.h. erhebliche Opfer für den natürlichen Menschen. Das ist auch nicht anders möglich, da der eucharistische Heiland ja der gekreuzigte Heiland ist und das Leben mit ihm eine Teilnahme an seinem Leiden. Er hat der hl. Magarete Maria Alacoque offenbart, wie lieb ihm die Sühne seiner Getreuen ist. Aber die vollkommene Weihe an das göttliche Herz ist doch erst dann
erreicht, wenn wir in ihm unsere Heimat, unseren täglichen Aufenthalt und den Mittelpunkt unseres Lebens haben, wenn sein Leben unser Leben geworden ist.
Edith Stein Werke XII, 123 -‐125
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